Christoph Marzi - Grimm

Veröffentlicht auf von yggdrasil

Ich hatte die Gelegenheit das neueste Werk eines meiner Lieblingautoren für eine Rezension zu erhalten. Und obendrein gabs noch ein Interwiev (leider bloß per E-Mail) dazu.

Hier also beides:

 

Titel: Grimm
Autor: Christoph Marzi
Genre: Fantasy
Aufmachung: Gebunden
Anzahl Seiten: 560
Verlag: Heyne
Erscheinungsdatum: 15.11.2010


Seltsame und grausige Dinge geschehen in Deutschland und wirbeln das Leben von Vesper Gold gehörig durcheinander. Da ist der Termin bei der Direktorin der Schule für Vesper noch das geringste Problem. Zuerst wird ihr Vater – ein berühmter Filmemacher – in Berlin umgebracht. Dann kommt ihre Mutter ebenfalls unter mysteriösen Umständen um und irgendwer verfolgt Vesper. So flüchtet sie quer durch Hamburg – doch was wollen der Mann in der Militärjacke mit dem unscharf wirkenden Tier auf der Schulter und der Menschenwolf von ihr? Da fallen plötzlich alle Kinder in einen tiefen Schlaf und alle Erwachsenen träumen das Gleiche. Nur ein Albtraum, eine Warnung oder gar eine Drohung? Gestalten aus den Sagen werden real und Vesper stellt fest, dass es viel mehr gibt, als dass, was sie bisher ahnen konnte.

Vorab eine Sache: Dieses Buch ist „ein echter Marzi“. Vom Schreibstil her sind keine Überraschungen zu erwarten. Gewohnt flechtet er Musikstücke in die Szenen ein und entlehnt Einzelheiten aus den Romanen seiner literarischen Vorbilder. Der Text ist gut und flüssig zu lesen. Einmal in die Hand genommen möchte man also erst aufhören, wenn das Buch zu ende ist.

Die Kapitel sind sinnvoll gesetzt worden und haben klangvolle, passende Titel. Abschnitte gibt es innerhalb der Kapitel relativ wenig. Das Buch kommt als gebundene Ausgabe daher, der Schutzumschlag ist sehr schön und passend gestaltet. Das Einzige, dass bei diesem Buch fehlt, ist ein kleines Lesebändchen.

Marzi hat mit „Grimm“ ein atmosphärisch dichtes Werk abgeliefert. Leider wirken „Showdown“ und Ende zu schnell abgehandelt. Ähnlich wie oft bei Markus Heitz, wird der Leser hier einen langen Weg hergeführt um am Ende etwas ratlos mit dem Gedanken „War das schon Alles?“ da zu stehen. Die Figuren bieten viel Potential, werden manchmal aber etwas zu oberflächlich dargestellt. Über viele Nebenschauplätze wird hinweggegangen, Details bleiben im Dunkeln.

Dennoch hat Christoph Marzi hier ein sehr gutes Buch geschrieben. Die Ideen sind gewohnt phantasievoll und streckenweise originell. Die Märchenfiguren sind zwar im Wesentlichen den Märchen der Gebrüder Grimm entlehnt, der Autor zeigt sie jedoch in einem anderen Licht. Eine phantasievolle Verbindung von klassischen Märchen mit unserem heutigen Leben. Wenn man also den Stil des Autors mag, gilt auf jeden Fall: Daumen hoch.

Christoph Marzi wurde am 7. Mai 1970 geboren. Er lebt heute zusammen mit seiner Familie in Saabrücken und lehrt Wirtschaftslehre an einem Gymnasium. 2005 erhielt er den Deutschen Phantastik-Preis in der Kategorie „Roman-Debüt Deutschsprachig“ für den Roman Lycidas. 2007 wurde er in der Kategorie „Roman Deutschsprachig“ für Lumen nominiert, 2009 erhielt der diesen Preis dann für die Kurzgeschichtensammlung „Nimmermehr“, natürlich in der Kategorie „Beste Kurzgeschichtensammlung“. Inzwischen hat er die „Uralte Metropole“-Reihe beendet, sowie die Trilogien „Malfuria“ und „Fabula“.

Vielen Dank an den Heyne-Verlag und RPG-Foren.com, die diese Rezension ermöglicht haben.


Sehr geehrter Herr Marzi,

mein Name ist Anja B. und ich schreibe für das Forum Portal - RPG Foren Rezensionen. Im Zuge der Rezension Ihres Buches „Grimm“ freue ich mich, dass Sie sich die Zeit für ein kurzes Interview nehmen.

1. In Ihren Romanen spielen Musikstücke immer eine große Rolle, so auch in „Grimm“. Werden Sie von den Stücken zu den Szenen inspiriert, oder suchen Sie gezielt nach Liedern, die zu den jeweiligen Szenen passen?

Ich verbinde immer Musik mit den Szenen, die ich schreiben möchte. Und die Szenen werden wiederum durch die Musik beeinflusst. Insofern nähere ich mich den Liedern von beiden Seiten, könnte man sagen. Ohne Musik schreibe ich jedenfalls so gut wie nie. Stücke wie „Rusted from the Rain“ und „Sinnerman“ diktieren dann sehr genau, wie eine Szene auszusehen hat und was geschehen soll.

2. Warum spielt ein großer Teil der Handlung gerade in Hamburg? Haben Sie zu dieser Stadt einen besonderen Bezug?

Ich mag Hamburg, weil die Stadt so geheimnisvoll ist. Und weil sie einen Hafen hat. Ich liebe Häfen. Was vielleicht daran liegt, dass ich als Kind mit meinen Großeltern die Serie „Onedin Linie“ gesehen habe. Und „Moby Dick“. Ich liebte das Europa-Hörspiel. Die meisten Urlaube meiner Kindheit habe ich in Büsum an der Nordsee verbracht. Deswegen fiel meine Wahl wohl auf Hamburg. Die Nähe zum Meer habe ich ja schon in FABULA gesucht. Irgendwie kehre ich immer dorthin zurück.

3. Welchen Stellenwert nehmen Märchen, Mythen und Sagen bei Ihnen ein?

Einen sehr großen. Alles, was wir heute an Geschichten um uns herum haben, hat seine Wurzeln in den alten Märchen und Mythen. Die modernen Märchen und Mythen werden nicht mehr von den Brüdern Grimm erzählt und vermutlich auch nicht von Schriftstellern, sondern von dem großen Bewusstsein, das wir als Internet bezeichnen (und von dem wir noch nicht so genau wissen, wie lebendig es wirklich ist). Um Ihre Frage zu beantworten: Mythen und Märchen zeigen uns, wo wir herkommen und wer wir wirklich sind. Sie haben mich schon von klein auf begleitet. Deswegen sind sie vermutlich so präsent in meinen Geschichten.

4. Wie ist Edgar denn nun wirklich zur Familie Andersen gekommen?

Ha, manche Geheimnisse sollten geheimnisvoll bleiben.

5. Jonathan Andersen spricht davon, dass im Zeitalter der Aufklärung die Magie aus den Köpfen der Menschen und damit aus der Welt vertrieben wurde. Wünschen Sie sich, dass es anders wäre? Sollten wir die Magie zurückkehren lassen?

Magie umgibt uns jeden Tag, in ganz gewöhnlichen Situationen und Dingen. Wir haben nur verlernt, sie als Magie wahrzunehmen. Alles kann magisch sein: eine schöne Blume, die man bemerkt; Rauchschwaden, die aus der Kanalisation emporsteigen, der Sternenhimmel, Worte, die jemand ausspricht. Ich glaube, dass die Welt ein besserer Ort ist, wenn es Magie darin gibt. Wir müssen sie also gar nicht zurückkehren lassen, wir müssen sie nur erkennen.

Vielen Dank schon mal bis hierhin Herr Marzi. Ich würde Ihnen zum Abschluss gerne noch ein paar persönliche Fragen stellen.

6. Wie würden Sie sich selbst charakterisieren?

Als sehr gewöhnlich. Als Kaffeetrinker im Sommer und Teetrinker im Winter. Als Leser. Vielleser. Als Filmfanatischer. Wie gesagt, alles nicht sehr außergewöhnlich.

7. Was ist Ihr persönliches Lieblingsbuch?

Stephen Kings „Es“, Michael Chabons „Die Wonderboys“, John Irvings „Garp und wie er die Welt sah“, Nicholas Christophers „Veronica“, Charles Dickens` „Große Erwartungen“ und „David Copperfield“. Es gibt so viele Bücher, die ich mag. Sie auf ein einziges zu reduzieren würde die anderen verletzten, denke ich. Deswegen: es gibt noch viele, viele mehr.

8. Was ist ein guter Grund für eine Arbeitspause für Sie?

Meine Familie.

9. Wann kamen Sie das erste Mal auf die Idee, Autor zu werden?

Mit fünfzehn oder sechzehn Jahren. Ich habe einfach eine Geschichte geschrieben, auf einer alten Schreibmaschine. Und dann habe ich weitergemacht, weil ich spürte, dass ich nicht mehr damit aufhören konnte.

10. Wie sehen Ihre Pläne für die nähere Zukunft aus?

Es wird einen neuen Jugendroman geben, vermutlich im nächsten Sommer. Der Arbeitstitel lautet HIGHGATE. Darüber hinaus eine neue Graphic Novel wie HELENA UND DIE RATTEN IN DEN SCHATTEN. Beides im Arena-Verlag. Und für Heyne arbeite ich an einer Geschichte, die – wie FABULA und LYRA – eher für eine erwachsene Leserschaft gedacht ist und in der ich ganz neue Wege beschreiten werde. Für mich eins ehr persönliches und aufregend neues Projekt. Das vermutlich im nächsten Winter in die Buchläden kommt.

Herzlichen Dank für das Interview.

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